Grüne Blätter
Klappentext
v. Lettows neues Buch schließt als zweiter Band an seine jagdlichen Erinnerungen "Grüne Passion" an. Wieder ist der Ausgangspunkt die Heimat Pommern. Aber nicht Hirsch und Keiler bilden das Ausgangsthema, sondern der Hase und mit ihm die "kleine Jagd". Im Spiegel dieser bescheidenen Welt erstehen die Bilder aus Jugendzeit und Mannesjahren, aus Heimat und weiter Welt. Ein heimlicher Waldbock, zum Phantom geworden in der wuchernden Phantasie des jungen Jägers, lehrt, was Waidwerk ist : Das Sichbeschränken auf eine einzige Fährte und deren beharrliche Verfolgung bis ans Ziel. Um diesen Bock am "Vater-unser-Weg" ranken sich bunte Bildstreifen aus dem alten Ostpreußen der Vorkriegszeit, in deren Mittelpunkt prächtige Mensch entstehen, urwüchsige Originale, und die Pferde mit der Elchschaufel.
Ein Pürschtag im heimatlichen Herbst erzählt vom Zwiespalt der Sorgen des Landwirts um die rechtzeitige Bergung der Ernte und der Ruhelosigkeit des Jägers mit seinen Süchten und Wünschen.
In einem weiten Sprung über Zeit und Raum geht es dann nach Spanien über die "blauen Berge" Toledos zur Hirschbrunft, unter sommerheißem Himmel, in einem fremd anmutenden Herbst, der dortzulande kein Sterben und Vergehen bedeutet, sondern einen neuen Frühling mit Grünen und Sprossen bringt. Großartig entfaltet sich die Schilderung einer Monteria, einer Bergjagd mit der Meute auf Hochwild, wie sie heute nur noch in Spanien zu finden ist.
Zum Abschluß erzählt v. Lettow von seinem Onkel, dem berühmten Verteidiger von Deutsch-Ostafrika im ersten Weltkrieg, General v. Lettow-Vorbeck, der im hohen Alter von 91 Jahren noch keine Grenze für das Jagen kennt, und den der Neffe zu einer Einladung eines Jagdfreundes in den Hunsrück begleitete. In allerlei Jagderlebnissen und im Anekdotischen klingt das Buch aus. Was v. Lettow mit glücklichen Augen gesehen, hat er mit ebenso glücklicher Feder niedergeschrieben und zu gestalten gewußt.
VORWORT
Obwohl die "Grüne Passion" bereits vor einem halbdutzend Jahre erschienen ist, erfeuen mich auch jetzt noch immer wieder freundliche Leserbriefe, die ihr Gutes nachsagen und ein Mehr an solcher Kost verlangen. Den lieben Landsleuten der östlichen Heimat, den im westlichen Exil neugewonnenen Weggenossen und den vielen Fremden, die sich mir nur über das geschriebene Wort als Freunde und Gleichgesinnte zu erkennen gaben, ihnen allen möchte ich meinen Dank abstatten, indem ich der "Grünen Passion" nun die "Grünen Blätter" folgen lasse. Sie erzählen vom Jagen daheim und auf weiter Wanderschaft. Die Stille, in die sie oft hineinführen, wird nicht eben häufig vom Peitschen des Schusses durchbrochen. Um so lauter klingen - so hoffe ich - jene Stimmen an, die uns vieljach und wechselvoll, aber immer und überall begleiten und jedes bewußt erlebte Waidwerk musisch untermalen. Auch hier sind die jagdlichen Geschehnisse nicht herausgerissen aus dem sie umrauschenden, buntbewegten Strom des Lebens und der Zeit, sondern Landschaften und Menschen, die sie mir nahe brachten, sind mit eingeschlossen, nicht anders, wie auch die schweifenden Gedanken jedes stillbesinnlichen Pürschjägers über den Beutetrieb hinaus weiter Kreise ziehen. Wenn den älteren Waidgenossen beim Lesen dieser Blätter eigene, vielleicht ähnliche Erinnerungen zurückgerufen, den jungen Jägern Auge und Ohr für das Drum und Dran, für die eigentliche Würze unseres grünen Handwerks geschärft würden, wenn überhaupt dem guten Wollen ein wenig Gelingen beschieden, war's mir liebster Lohn!
ERSTES KAPITEL
MINIATUREN UM MÜMMELMANN
Oft, wenn ich an einem Wildwagen vorüberkam oder im Widerschein der hochauflodernden Holzstöße die Strecke des Jagdtages abschritt, zog mich irgend ein altes Hasengesicht in seinen Bann. Ob ich wollte oder nicht, ich mußte stehenbleiben und es immer wieder betrachten. Was es eigentlich war, das es aus der Masse der anderen heraushob, ist schwer oder kaum zu beschreiben. Man kann es doch nicht gut mit dem Menschenantlitz vergleichen, das je nach dem durchlebten Leben leer bleibt oder sich mit erworbenem Wissen und Wesen und dem ganzen Erfahrungsschatz anreichert. So können es wohl nur die Jahre gewesen sein, die solche altklugen Hasengesichter prägten, und tatsächlich fand ich sie in der schützenden Forst auch weit häufiger als im freien Feld. Immer war es das Weiß -breitflächig angeflogen wie Reif oder in dünnen Linien hingestrichelt gleich Falten und Runzeln - das sie auszeichnete, das ihnen diesen gewissen würdevollen Ausdruck verlieh, während die großen, goldbraunen, kaum eigentlich gebrochenen Seher noch merkwürdig klar und wie zeitlos dreinschauten.
Mir scheint, daß sich aller Alltäglichkeit zum Trotz noch keiner unserer Künstler an ein solches Althasenportrait herangewagt hat, obwohl es gerade unser Allerweltsbürger war, der zwei unsterblichen Werken der Jagdkunst - gestaltet von Dürer und Liljefors dem Älteren - als Motiv diente. Doch der eine war wohl erst ein sogenannter Dreiläufer, ein Heuriger, gewesen und hatte wahrscheinlich gerade deshalb dem großen Meister so geduldig Modell gesessen, und jener andere war halt ein Schneehase gewesen, und so genial diese Sinfonie in Weiß mit allen ihren hauchzarten Schattierungen auch geschaffen wurde, für den Reif des Alters gab es hier keinen denkbaren Hintergrund. Ansonsten habe ich nur immer Hasenbilder gesehen, die über die Dutzendgesichter nicht hinausgelangten.
Dem Althasencharakter gerechter wurde das Schrifttum, denn mit unseres Heidedichters unverwüstlichem "Mümmelmann" begann so recht eigentlich ein bis dahin ganz unbekannter Zweig unserer Literatur. Seit ihm sind die Tiergeschichten in Mode gekommen und haben ihre Blütezeit wohl noch nicht überschritten, so sehr sie bändefüllend weiterwucherten, und so wenig sie in der Regel an die großen Vorbilder eines Hermann Löns oder Svend Fleuron heranreichten. Doch hier muß eine kleine, aber erlesene Kostbarkeit unserer Jagdliteratur erwähnt werden, denn sie ist es wahrlich wert, niemals in Vergessenheit zu geraten. Friedrich von Gagern schrieb - nein - dichtete sie und benannte sie "Lob der kleinen Jagd". In einem der armselig dünnen Wild und Hund-Hefte der Kriegszeit erschien sie und ist dann leider in den letzten Werken dieses großen Denkers und Dichters nicht wieder aufgetaucht. Da aber nur wenige während des mörderischen Orlogs Zeit und Muße gehabt haben dürften, diese Erzählung auszukosten, d. h. in alle ihre Tiefen hinein vorzudringen, und da auch nur wenige dieser Wild und Hund-Hefte wohl Brand, Bomben und Plünderei überstanden haben mögen, ist dann auf meine Veranlassung hin "Lob der kleinen Jagd" noch einmal in dem Hubertusheft 1954, dem Jahre der Düsseldorfer Internationalen, gebracht worden. Ganze Passagen daraus könnte ich auswendig hersagen, so oft habe ich sie schon gelesen.
Nach ein paar Stunden einsamen Streifens mit seinem Hund hält der alternde Jäger Totenwacht seinem auf der Suche erlegten Hasen, hält er mit ihm Zwiesprache, während von weither Schüsse einer Treibjagd herüberknattern: "Dort würdest du nicht als Persönlichkeit mit Extratobak, Sonder-Requiem und Staatsbegräbnis erster Klasse abgefeiert werden; Krieg ist Krieg, Schlacht ist Schlacht, dort wärst du nichts als Nummer im Kollektiv der gesamten, allenfalls noch Einheit in der Summe einer persönlichen Strecke, von deinem Sterbebett weg hängte man dich geheßt an den Treiberstecken oder die Buckelkraxen, von dieser ohne lange Zeremonien an die Stange des Leichenwagens, von diesem glittest du namenlos ab in die große, rückverschlingende Spülwoge des Geschäftes, des Umsatzes, der Verwertung, der Stoffverwandlung. Sei also mit deinem Lose soweit zufrieden, du einstweilen Ausgelöschter; nicht allen deinesgleichen können dieselben Ehren wie dir erwiesen werden, soviel Zeit hätte die mordende Menschheit in den paar Herbst- und Winterwochen um euret-und eurer gefiederten Leidensgenossen willen nicht, große Ernten können nicht geborgen werden, indem man die einzelnen Ähren wie Blumen pflückt. Du aber, du Auserwählter, bist als Exemplar durch Gedächtnis und Weihe eingegangen in die wenn auch kurze Ewigkeit eines Menschen-erinnerns; und durch diese vielleicht als Beitrag ins weiterwirkende Vermächtnis."
Die Erinnerung an andere, nicht "im Kollektiv untergegangene" Mümmelmänner wird in dem Jägerdichter lebendig und mit ihr in wechselnden Bildern das unwiederbringlich versunkene Paradies der Jugend und der Heimat. Und dann verklingt, verrauscht, verströmt diese kleine Geschichte von einem simplen Lampe in einer der großen Gagernschen Visionen: "Der Tag versinkt in Brandrauch der Götterdämmerung, die Nacht geht auf. Die Schlacht drüben ist abgeblasen, das Feuer verstummt. Sengqualmzug eines letzten verglosenden Kartoffelkrauthaufens. Gestalten im Nebelgeweb, Stimmen im Dunstgespinst. Die seufzende Eule im Abgehölz. Rauhgrauer Ruf des Reihers. Die Allerseelenglocke, Geister und schwankend Gebild. Ein Sternfunke, erglühend im Umlauf, verlöschend im Ab-grund der Ewigkeit."
Nun, auch wir Alltagsjäger, Grübler und Plauderer minderer Grade, wir alle haben den einen oder anderen Mümmelmann auf unserer Strecke, den wir nicht nur erlegten, sondern tief innerlich dergestalt erlebten, daß er auch in die kurze Ewigkeit unseres Menscherinnerns einging. Schämen wir uns seiner nicht und bekennen wir uns getrost zu seiner Geschichte, seinem Anruf, seinem Nachruf, selbst wenn die Waidgenossen rings an der Tafel bislang nur den Haupthirsch oder das Hauend'Schwein lobpreisender Reden für würdig hielten. Und sollte jemand dafür gerügt werden, weil er um eines armseligen Hasen wegen so lange Sprüche gemacht habe, und weiß er keine rechte Antwort darauf zu geben, so halte er sich wiederum an Gagerns "Lob der kleinen Jagd" und an den Kernsatz, der dort - gültig für alle Jägergenerationen - geschrieben steht: "Hochwild ist, was wir in unseren Herzen dazu erheben!"
Naturgemäß pflegt es immer der erste, in unserem Lebens-Schußbuch verzeichnete Hase zu sein, der derart erhoben wurde und fortan in unserem nachgenießenden Gedächtnis herumgeistert. Die Lehrprinzen sollten daran denken, denn glücklich der Jungjäger, der solchen Erstling nicht gleich auf einer stimmenreichen, aber stimmungsarmen Treibjagd im Kollektiv erlegte. Davor wurde ich bewahrt, und deshalb eben haben die Bilder um meinen "Ersten" selbst heute nach fünfundvierzig wechselvollen Jahren noch nichts von ihrer Leuchtkraft eingebüßt:
Hoch oberhalb der stillgelegten, längst schon wieder vergrasten und verstrauchten Kiesgrube und hart an die Rotf ichtenschonung herangedrückt, hocken wir, meine Mutter und ich, auf unseren Klappstühlen. Tief unter uns windet sich der sandige Hohlweg hangabwärts aus dem Wald und mündet, von vier Eichen flankiert, in die erste der drei Brücken, die über die Ücklei und ihre beiden Nebenarme führen. Das purpurne Tor, das die sinkende Sonne zurückließ, zerfließt in schwefliges Gelb und verliert sich schließlich in frostiges Grün. Es riecht herb nach vergilbendem Laub und welkem Kartoffelkraut, modrig nach Schlick und Schilf und zugleich frisch nach dunstenden Wassern. Aus der Dickung kriecht die Dämmerung und droht schon alles zu verschlingen bis auf den kiesigen Weg und die Rieselwiesen, die fahl im wachsenden Zwielicht herüberschimmern. Ich fiebere in allen Schauern der Uhlenflucht, und je mehr das Auge versagen muß, je mehr, je verzweifelter strenge ich das Ohr an. Ich lausche mit offenem Munde und halber Atmung, um ja nichts zu verpassen. Aber wie soll ich nur die einzelnen Laute aufnehmen, auseinanderhalten und ausdeuten, denn plötzlich beginnt alles um mich herum zu leben und weben, zu tönen und schwingen. Immerfort ziehen jetzt Enten, fallen klatschend in den Kehren und Kolken ein, stehen, beunruhigt durch den ersten, sich ankündigenden, strengeren Frost, gleich wieder auf und kreisen klingelnd über dem Ückleytal. Eicheln - es ist ein Vollmastjahr - fallen dumpfpochend in die Wiese und hellplumpsend ins Wasser, das unter uns plätschernd und murmelnd dahinfließt. Überall ist ein Wispern und Flüstern, Knistern und Raspeln von Mäusen und allerlei Kleingetier, die die sinkende Dämmerung hervorgezaubert.
Dann johlt ein Kauz so gellend und so nah hinter uns, daß ich zusammenfahre. Rotkehlchen ticken irgendwo im Tann, und plötzlich fallen die Amseln wie von Sinnen zeternd und schackernd ein. Schlagen sie Alarm des Waldkauzes wegen, oder künden sie gar anwechselndes Wild an? Etwa den Fuchs, der in dem Mutterbau am Steilhang des Baches unter der alten Samenbuche haust und soeben den nächtlichen Raubzug antritt? Nicht auszudenken - ein Fuchs, das Fernziel aller jungjägerischen Wünsche - und dennoch vielleicht schon in der nächsten Minute sich erfüllend!
Es schummert stärker, der Blickkreis schwindet mehr und mehr. Soviel weiß ich schon, daß ich nur das Wild noch rechtzeitig werde entdecken können, das sich zuvor meinem Gehör verriet. Ich kauere mich zusammen und lausche in alleräußerster Anspannung. Gewissermaßen bin ich jetzt überhaupt nur noch Ohr. Aber was hilft das alles, wie soll ich das vorahnend erwartete Knistern und Rascheln in Waldstreu und Fallaub, wie es weiche Pranten und Pfoten anschleichenden Wildes hervorrufen, wie soll ich dies unendlich feine und leise Geräusch auffangen inmitten des Tumultes, der mich umgibt, wie soll ich es herausfinden, aus dem Klingeln der Enten, dem Warnen der Kleinvögel und dem pausenlosen Geplätscher des geschwätzigen Baches! Wie soll ich es überhaupt wahrnehmen inmitten des Aufruhrs, der nicht minder in meinem Innern mit klopfendem Herzen und klingenden Pulsen tobt!
Mit tiefster Inbrunst wünsche ich mir, daß nun in den letzten und gewohnlich ereignisreichsten Minuten des Schußlichts jagdbares Wild, was es auch immer sein möge, heraustrete, und zugleich fürchte ich in unseligem Zwiespalt sein Erscheinen, bange ich davor, im entscheidenden Augenblick nicht zu bestehen. Bis heute habe ich doch erst zweimal mit der Flinte geschossen, mit einer todspeienden Feuerwaffe, ansonsten nur immer mit dem luftgetriebenen Bleibolzen aus schmächtigem Einlauf fast lautlos Spatzen und Ratten das Lebenslicht ausgeblasen. Zwei Schüsse aus einem richtigen Gewehr und gleich zwei Treffer erzielt, mit jedem ein Karnickel zur Strecke gebracht, am gleichen unvergeßlichen Abend beim Ansitz am unterhöhlten, zerwühlten Schonungsrand. Zwei scharfe Schüsse erst, aber sie haben für das Wissen genügt, wie eine solche Waffe aufbrüllt, wie sich ihr Doppellauf aufbäumt und ihr Schaft zugleich in die knochige Knabenschulter hineinschmettert. Werde ich beim dritten Mal durchhalten, ohne vorzumucken, im Ziel bleiben, bis mit dem schmerzenden Schlag auch schon alle Gefahr schandbaren Versagens vorüber?
Und nun irgendwo hinter mir im Schummern ein sich fortpflanzendes Rascheln, ein wirkliches und nicht von überreizten Sinnen vorgetäuschtes Geräusch! Jedesmal, wenn es auf der Stelle verharrt, ersehne ich mit allen Fibern, daß es sich weiter auf mich zu bewegen möge, und sobald es dies tut, wünsche ich glühend, daß es wieder zum Stillstand käme, daß mir noch eine Atempause vergönnt bleibe.
Hingerissen zwischen solchem Fürchten und Wünschen erbebe ich unter einer kaum noch erträglichen Spannung, und in einer merkwürdigen Mischung von Gier, Not und Scham schiele ich hilfeheischend zu meiner Mutter hinüber. Obwohl sie ganz dicht und ein wenig vornübergebeugt neben mir sitzt, kann ich ihre Züge unter der vorschattenden Krempe ihres grünen Jägerhutes kaum noch erkennen. Ich fühle aber, daß ihre geliebten goldbraunen Augen, wie aus eigener, tiefinnerlicher Leuchtkraft gespeist, kurz auf mir ruhen, und ich sehe, daß ihr Mund verstehend - und wie mir scheint - auch verzeihend lächelt. Ein Gefühl unendlicher Geborgenheit überströmt mich und schenkt mir Stück um Stück jenes Selbstvertrauen wieder, das mich beherrscht hatte, solange es noch heller Tag war.
Da stößt sie ihren Ellenbogen mir leicht in die Seite. Ich fahre hoch, fange ihren Blick auf und folge ihm. Mein Himmel - hangabwärts und mitten auf dem Fahrweg kommt Mümmelmann angebockelt, scharf sich gegen den hellschimmernden Kies abhebend! Vorgewölbten Leibes und mit durchgedrücktem Kreuz nehme, nein, stemme ich die entsetzlich schwere Zwölfkalibrige hoch, während sich der vor Gier zitternde Zeigefinger schon an den Abzug herantastet. Mein Himmel, immer wenn ich mit dem Doppellauf gerade drauf bin und abdrücken will, hat sich der Zielraum schon wieder entleert und ist der Krumme um einen vollen Meter weitergerückt. Dann aber wird er mein wildes Herumfuchteln mit der Flinte bemerkt haben, wenn ich in diesem Augenblick auch fest davon überzeugt bin, daß ihn nur mein keuchender Atem und mein hämmerndes Herz mißtrauisch gemacht und angehalten haben. Jedenfalls sitzt er nun stocksteif und sichert mit spielenden Löffeln, derweilen das silbrige Korn meiner Flinte hilflos um ihn herumhüpft und tanzt, darüber, darunter, daneben, nur niemals - es ist zum Verzweifeln - darauf!
Und dann kurzes Stoßgebet, Durchbruch eines alle Schwächen überwindenden Willens, der ganze Körper nichts als ein zum Zerreißen gespanntes Muskelbündel, und schon schwingt die schimmernde Laufschiene von unten her mitten ins Ziel, und im gleichen Augenblick bricht, bellt, brüllt der Schuß. Geblendet vom rotflammenden Mündungsblitz, taub vom berstenden Knall und benommen vom Rückstoß, der diesmal voll gegen die Wange schlug, hocke ich da wie ein Unglückshäuflein und keineswegs siegessicher, daß ich den inneren Schweinehund wirklich lang genug be-zwang - bis mich anscheinend von weit her und wie Himmelsschalmeien meiner Mutter Worte erreichen: "Bravo, er liegt!"
Kaum hat sie mir die immer noch rauchende Flinte aus der Hand genommen, stürze ich stolpernd den steilen Hang hinab, während ich an mein Glück noch gar nicht recht zu glauben wage. Schon stoppe ich den rasenden Lauf und stehe mitten auf dem Weg, doch - o weh - er ist leer! Nirgends zwischen den Geleisen dunkelt auf dem weißen Sand irgend etwas, das ein toter Hase sein könnte. Hat sich meine Mutter geirrt, oder habe ich sie in meiner Erregung mißverstanden? Ach, es wäre ja auch viel zu schön gewesen, um überhaupt Wirklichkeit sein zu können! So verharre ich untätig und wie versteinert, und erst jetzt nehme ich den Tumult wahr, den mein Schuß ausgelöst hat. Bachauf und bachab und noch ständig fortlaufend rauschen Enten hoch, in der Dickung poltert Rehwild schmälend zurück, und die Amseln zetern wie unsinnig. Und da - ein stoßweises Rascheln im fahlen, frosttrockenen Gras dicht neben dem sandigen Weg, ein langes, schmales, schneeweißes Etwas blendet in meinen noch ungläubig suchenden Blick, und schon knie ich neben meinem ersten, sich gerade zum letztenmal streckenden Hasen, während eine Bergeslast eiskalter Enttäuschung von mir weicht und das Hochgefühl reinsten Glücks wie eine heiße Lohe in mir emporschießt.
Heimweg unter den windschiefen, winterkahlen, gespenstig krummen Kopfweiden des "Vierwegs", beschwingt und schweigsam, denn wahres Glück macht stumm, und wir verstehen uns auch ohne Worte, meine Mutter und ich. Vor mir hat sich heute ein Tor geöffnet, und ich schaue hinaus auf einen langen, Wunder über Wunder verheißenden Jägerweg. Meine Mutter aber - das fühle ich ganz deutlich - schaut jetzt trotz aller Mitfreude in Trauer zurück. Es ist Krieg, und an dem einst so wolkenlosen Himmel ihres Lebensmittags ist dunkles, nimmer mehr weichendes Gewölk aufgezogen. Drüben im Park ruht ihr Ältester, für König und Vaterland gefallen, und wie wenige Jahre ist es erst her, daß er an ihrer Seite den Heimweg mit dem ersten Hasen antrat! Auch der tiefe Schmerz macht stumm. So wandern wir beide schweigend durchs schummernde Feld, und ich schäme mich fast meiner alle anderen Empfindungen einfach überwuchernden Freude an der ersten jagdbaren Beute. Aber ich komme beim besten Willen nicht dagegen an, denn schwer drücken ja die Riemen des Rucksackes auf meine schmalen Schultern, und die Last, die er tief herabhängend birgt, wärmt mir wohlig den Rücken.
Ja, wärmt mir das Herz, nicht nur für diesen Heimweg, sondern für die ganze kurze "Ewigkeit eines Menschenerinnerns".
Dann klafft eine Gedächtnislücke, bis ein neues, noch um nichts farbloser gewordenes Bild vor der inneren Netzhaut aufblitzt, wann immer ich es heranrufe. Nicht nur die einzelne Szene wird dann lebendig, sonder auch die ihr vorausgegangene Ouvertüre rauscht dann noch einmal auf:
Es ist immer noch Krieg, und sein Antlitz ist immer dreuender, immer verzerrter und fratzenhafter geworden. Doch die Heimat - nach bitteren Großstadt- und Gymnasiastenwochen wiedergeschenkt - wirkt auf mich stärker als er. So stark, daß sie alle Schatten aus einem Jungenherzen herauszuscheuchen vermag. Die lange Winternacht, die Nacht vor dem ersten Weihnachtsferientag will kein Ende nehmen, und dennoch kleide ich mich so hastig an, rüste ich mich so eilig zu, als könne ich das Frühlicht damit schneller heranzwingen. Dabei lädt alles ein, genießerisch zu verweilen, der vertraute Ruch des schlafenden Hauses, die Frühstücksstube, in ihrer Stille ganz erfüllt von dem-gleichmäßigen Atmen der Wanduhr, die seit Urgroßvaters Zeiten zwischen den französischen Farbstichen Stunde um Stunde anzeigt, und nicht zuletzt das einsame Gedeck auf langem Tisch: das duftende, eigengebackene, grobrindige Brot, die goldgelbe Butter, die knochenharte, rote, würzige Dauerwurst und das große Glas vollsahniger Milch - inmitten des Kohlrübenwinters Wunderschätze für den kohldampf schieben den Großstädter. Alles dies segnet mich mit dem Gruß: Du bist wieder daheim! Und doch hält mich nichts, ich haste, bis der Waffenschrank metallen aufschnappt und mir eine Wolke Ballistol- und Leinölduftes entgegenwirft, bis der Schlüssel im Schloß klirrt und die Haustür in den Angeln singt, so heimselig, wie keine andere in der weiten Welt. Kalt flimmern die Sterne. Unter den Sohlen knirscht der Schnee. Der Hof hallt wider vom Stampfen der Kolben und dem Zischen des Dampfes in der Brennerei. Es riecht säuerlich nach Schlempe und süßlich nach Heu und herb nach Stroh. Die lange Kette erleuchteter Stallfenster wirft goldene Rechtecke auf die weiß-blaue Fläche, und warmer Dunst nebelt aus offenen Toren. Das Brummen der Kühe, Grunzen der Schweine, Schnauben der Pferde, Kettengerassel und morgenrauher Zuruf der Knechte sammeln sich zum vertrauten Tonbild ländlichen Behagens und Geborgenseins in frostiger Wintersfrühe.
Auch dies ist "daheim", doch auch dies hält mich nicht auf. Mich treibt's hinaus, möglichst weit fort und den Grenzen entgegen, denn noch glaube ich, daß die Abenteuer um so sicherer zu finden seien, je ferner von Haus und Hof ich sie suche. Und noch ist ja alles für mich Abenteuer, Ersterleben, Entdeckung und Neuland. Eigentlich bin ich längst noch nicht "abgeführt" genug, um allein mit der Flinte losgelassen zu werden. Doch es ist Krieg, und wer hat da Zeit, den jagdlüsternen Bengel zu gängeln! Der Vater nicht, denn er muß nun mit den Kriegsgefangenen statt mit der alten Garde wirtschaften, und die Mutter auch nicht, denn sie hat nun neben ihren sonstigen Pflichten alle Hände voll zu tun zu helfen, zu heilen, zu trösten, in der Familie, in der Verwandtschaft und im Dorf. Nur dann und wann einen gemeinsamen und deshalb doppelt genossenen Abendansitz in schnellerreichbarer Nähe, den lassen wir uns auch jetzt nicht nehmen. Dabei empfange ich den ersten Vorgeschmack stillen, sinnigen Waidwerkens und lerne die Gier vergessen, die mich ansonsten von dem einen Winkel des langgestreckten Jagdreviers in den entgegengelegenen hineinhetzt. Die Gier, die mich heute viel zu früh aus dem warmen Bett geworfen hat, und die mich nun viel zu weit ins winterliche Feld hineintreibt, wo doch in Wirklichkeit die Chancen nahebei die besseren gewesen wären. Wie in den kurzen, kalten Tagen die Menschen näher zusammenrücken, zieht sich ja auch das Wild jetzt näher an die Gehöfte heran, denn hier im nun engbegrenzten landwirtschaftlichen Getriebe fällt so manches für den schlaffen Pansen ab, und was nicht von Heu und Hackfrucht lebt, sondern von Raub und Riß, folgt allzuwillig der warmen Wittrung. Reineke nicht ausgenommen, den zu überlisten mir in dieser Sturm- und Drangzeit Sternstunde, ja, letzte Station des Jägerseins überhaupt zu sein scheint.
Nun, Reineke läßt sich hier weit draußen im Feld auch nirgends blicken, als endlich die finstere Winternacht gewichen ist und die bleigraue Dämmerung ihr folgt, jene zwielichtige Viertelstunde, randvoll erregender Geräusche, die ich in das tote Schweigen genauso hineinphantasiere wie die allerwegen auf mich zuschleichenden, huschenden oder mich umlauernden Spukgestalten im bleichen Schnee. Erst als das tröstliche Frührot die weite weiße Fläche rosenfarben tönt, tritt Leben in die Totenstarre ringsum. Es ist zwar nur ein einsamer Mümmelmann, der durch die verschneite Schlucht seiner Sasse auf trockener Nadelstreu irgendwo inmitten der warmen Dik-kung, an der ich stehe, entgegenstrebt. Er aber genügt, um mich sogleich in den hellsten Aufruhr zu versetzen. Zwar habe ich für die Weihnachtsferien nur einen einzigen Hasen freibekommen, aber je früher ich ihn heimbringe, um so mehr kann ich auf eine Nachbewilligung hoffen und solche auch nutzen. Ich bin also wildentschlossen, die erste Gelegenheit am Schöpfe zu packen, und Mümmelmann bockelt auch zügig und stichgerade auf mich zu.
Leicht hätte ihm dies statt des schläfrigen Einschlupfes in die warme Dickung den Dauerschlummer eintragen können, denn seine Seher, ausgestattet mit dem allen Fluchttieren eigenen Weitwinkel, haben geradeaus voran ihren toten Punkt, und so vernehmen sie nichts von dem wilden Herumfuchteln meiner Flinte, die meine dünnen Knabenarme kaum zu halten und schon gar nicht stillzuhalten vermögen, weil der Krampf von den Schultern her sie wie in Windböen schüttelt. Dies aber gereicht Mümmelmann zum Heil, denn immer, wenn ich gerade abdrücken will, ist er mir schon unter dem Korn, unter dem hin- und herschwankenden Doppellauf verschwunden, und als er mich schließlich - das Ziel um ein Vielfaches vergrößernd - breitseits passiert, wird er sich augenblicklich hakenschlagend seiner Lebensgefahr bewußt, freilich einer nur eingebildeten, denn zu diesem Zeitpunkt bin ich bereits längst am Ende meiner Kraft.
Dieses klägliche Versagen kränkt und beschämt mich tief, und trotz des ersten vorfreudenträchtigen Ferienmorgens hadere ich nun mit meinem Geschick, ohne noch zu ahnen, daß es schon etwas weit besseres für mich bereithält, etwas das würdig ist, für immer ins Jägergedächtnis einzugehen.
Geschwinden Schrittes, um rasch nach dem langen, frostigen Vorpaß wieder warm zu werden, nehme ich den Rückweg querfeldein, über verschneite Gräben, über Hohleis, das unter den Sohlen zusammenkracht, über verzuckerten, holprigen Sturzacker und über grau verkrustete Schneewehen, während meine Gedanken schon weit vorauseilen. Voraus zur Frühstückstafel, beschickt mit allen Köstlichkeiten einer ländlichen Speisekammer, an der Krieg und Kohlrübenwinter noch spurlos vorübergegangen sind, und bereit, selbst meinen Bärenhunger zu stillen. So trifft mich das Kommende völlig unversehens, und es ist nur ein glücklicher Zufall, daß ich die Flinte nicht auf dem Rücken, sondern in der Rechten trage, weil mir ihr viel zu langer Riemen fortgesetzt von der schmalen Schulter glitt.
Plötzlich und mir fast unter den Füßen wird die tote weiße Fläche lebendig, gebiert der Schnee scheinbar aus dem Nichts einen sattbraunen Körper, der sich streckt und, wie von einer Feder geschnellt, fortstrebt, während ihm eine feine kristallene Staubwolke auf dem Fuße folgt. Zum Besinnen ist da gar keine Zeit, und nicht ich fasse einen Entschluß, sondern der Entschluß überrumpelt mich. Er heißt mich, den rechten Hahn ziehen, die Flinte hochreißen und den Kolben in die Schulter hineinstoßen. Mit dem Silberkorn auf dem Doppellauf suche ich dem windschnellen Ziel zu folgen, hole es auch wirklich ein, und dann tue ich etwas, das ich kaum je ernstlich geübt, noch nie auf dem Schießstand erprobt, nur bei anderen gesehen habe. Aus der Hüfte heraus gebe ich mir den Schwung, dem der Oberkörper und mit ihm die Flinte folgen muß. Das Korn löst sich vom erdbraunen, schnell an Größe abnehmenden Ziel, eilt ihm voraus über die weißgleißende Leere, hält einen Herzschlag lang den Abstand, und ehe es noch im Schwingen erlahmt, bricht der Schuß. Drei - viermal geht Mümmelmann überkopf, dann rührt er sich nicht mehr.
So verdattert bin ich im ersten Augenblick, so ungläubig gegenüber meinem Glück, daß ich mich doch tatsächlich umschaue, ob nicht vielleicht jemand anders mir gefolgt sei und diesen Meisterschuß getan habe. Doch ich bin allein auf weitem Feld, allein mit meinem Freudentaumel und wie trunken von dem ersten Kosten jener jauchzenden Lust, die uns selbst in späten Jahren immer noch überkommt, wenn wir durch sauberen Schuß schnelles Wild steintot aus Flucht und Flug herausreißen.
Ist's wirklich schon fast ein halbes Jahrhundert her, daß dieser unglückselige, von allen guten Geistern verlassene Mümmelmann im Knall überkopf ging? Sich überschlug, als erster von vielen, von viel zu vielen, deren rollendes oder rutschendes Testament ich mir nicht selten erst mühsam wieder ins Gedächtnis zurückrufen mußte, wenn mich Jagdherr oder Förster unmittelbar nach dem Treiben um die Strecke befragten. Schon von dem Zweiten, dessen im Spurten gestreckten Körper mein Hagel in einen trudelnden Ball verwandelte, weiß ich nicht mehr, wo und wann es geschah. Es wird kein frisches, forsches Wagen mehr dabeigewesen sein, sonst wüßte ich es gewiß noch, gleich wie alle jene Augenblicke in unserem Gedächtnis fortleben, in denen wir uns mehr zutrauten, als wir uns eigentlich zumuten durften, oder in denen wir, wortwörtlich oder bildlich gesprochen, zuvor unser Herz gar über ein Hindernis werfen mußten, um ihm sodann unverzüglich und kühn - koste es, was es wolle - zu folgen.
Jenem ersten Weihnachtshasen sind dann im Lauf der Jahre noch viele andere gefolgt, die wenigstens in ihrer Kategorie nicht der Vergessenheit anheimfielen. Wie alles übrige Wild gehörten daheim natürlich auch die Hasen zu unserem täglichen Umgang. Ihrer einer erschien nicht selten des Abends oder Morgens auf dem Rasenplatz unmittelbar an unserem Haus oder gar in der zum Hofe führenden Lindenallee. "Der alte Bülow war wieder am Schloß" pflegten unsere abergläubischen Leute nach einer solchen, etwas ungewöhnlichen Begegnung zu sagen, und sie ließen es sich auch nicht nehmen, daß mein Urgroßvater zuweilen in solcher Gestalt sich wiederverkörpernd um Haus und Hof nach dem Rechten sähe. Ja, eingedenk der unausrottbaren Spukgeschichten, wie sie beim gemeinsamen Brotbereiten und Flachsbraken am alten Backofen hinter der Kälberkoppel umgingen, wagten nicht einmal die Bengels, hier dem Langlöffel mit gröhlendem "Has" hopp! Has' hopp!" oder gar mit einem Steinwurf auf die Sprünge zu helfen, was sie jeden anderen Orts unverzüglich und unweigerlich getan hätten. Demzufolge nannten natürlich auch wir jeden unserer Parkhasen kurzweg "Bülow", und auf keinem Parkspaziergang versäumte ich, darauf zu achten, welche der altbekannten Wechselsassen in den Wurzelbuchten der Buchen oder oben auf den Erlenstubben gerade besetzt waren. So konnte ich nebenbei allerlei Studien treiben, die mir zeigten, daß sich der Hase bei der Auswahl seiner Tagessasse nicht nach dem herrschenden Wetter richtet, sondern nach dem kommenden, nach der Witterung, die - für uns freilich noch unerkennbar - in der Luft liegt.
Ansonsten spielte Mümmelmann bei uns nur eine recht bescheidene Rolle. Zwar freute man sich im Frühling über seine Hochzeitszüge auf den hoffnungsgrünen Saaten unter den Lerchenliedern und schmunzelte oder lachte hellauf, wenn zwei Rivalen, hoch auf den Hinterläufen stelzend, aneinandergerieten und sich in trommelndem Schlagwechsel derart ohrfeigten, daß die Wolle in Flocken flog. Auch auf den sommerlichen Pürschfahrten, wenn er, der bekanntlich keine Sommer- und Winterzeit unterscheidet, pünktlich ab 17.30 Uhr - im Abendlicht rötlich leuchtend -auf Wiesen und Weiden mummelte, übersah man ihn keineswegs.
Weniger gern - ehrlich gesagt - traf man ihn schon herbstens auf der Hühnersuche an, weil er dann "Dora" oder "Kora", "Teil" oder "Treff", oder wie der jeweilige, vierläufige Gehilfe gerade hieß, allzuleicht in Anfechtung brachte. Der weißleuchtenden, fortwippenden Blume lauthals und bis ins nächste Kirchspiel hinein zu folgen, war für diesen freilich auch viel kurzweiliger, als ein einziges armseliges Hühnervolk auf altem Geläuf aus ein- oder zweihundert Morgen großem, kniehoch bewachsenem Kartoffelfeld herauszubuchstabieren und vor die Flinte zu bringen.
Als Wild wirklich ernst genommen wurde Mümmelmann nur an einem einzigen Tage des Jahres und - dem schwankenden Besatz und Zuwachs entsprechend - auch nicht jeden Jahres. Die Strecke dieses Tages der großen Kessel war nie bedeutend, und zuweilen mußten noch ein paar Karnickelbüsche und Fasanengehölze mitgenommen werden, um die Schützen einigermaßen genossen zu machen. Darüber hinaus gab es in der Regel nur noch eine friedensbrecherische Ausnahme, wie sie eben die Herbeischaffung der traditionellen Weihnachtshasen erforderte. Derer, die hier mit einem Braten bedacht werden wollten, waren es nicht wenige, zunächst die Honoratioren, der Herr Superintendent, der Herr Pastor, der Herr Doktor und der Herr Lehrer und sodann - eine Hand wäscht die andere - die Telephonistin vom Postamt, die im Bedarfsfalle auch noch nach Dienstschluß "durchklingelte", der Zugführer der Kleinbahn, von dessen Gunst die Gestellung der Waggons während des Hochbetriebs in der Hackfruchternte nicht unerheblich abhing, und andere, nicht minder wichtige Personen mehr. Sie alle zu befriedigen, machte ich gern zu meinem Privileg.
Die vorweihnachtlichen Tage ließen mir auch Zeit hierfür. Zwischen Christfest und Neujahrstag wurden nur die laufenden, lebenswichtigen Arbeiten durchgeführt, und so war die Woche zuvor damit angefüllt, Vorratswirtschaft zu betreiben. Streustroh wurde in großen Haufen herangefahren, im Futterwinkel bis unters Dach Häcksel geschnitten, jeder Viehstall mit Rüben und der Brennereikeller mit Kartoffeln versorgt und, was sonst von den kurzen Tagen noch übrig blieb, aufs Großreinemachen und Aufräumen verwandt. Dies alles rollte reibungslos auch ohne mich ab, und im Haus durfte ich mich erst recht überflüssig fühlen. Da wurde gewischt, gescheuert, gebohnert, geschlachtet, gebacken und, nicht zuletzt, wurden Pakete gepackt, unter denen Tag für Tag die Kannen auf dem Milchwagen schier verschwanden. Überall hätte ich nur gestört oder wäre ich gestört worden, und so ergab sich für mich von selbst jener immer wieder von uns gestandenen Männern gern gesuchte, ersehnte Rückfall in längstverflossene Jugendjahre, in die sorglosselige Ferienstimmung. Froh und ungebunden pfiff ich meinem Hund und fuhr hinaus. Nein - ich pfeif meinem Hund und fahre hinaus, denn warum soll ich in der Vergangenheitsform schildern, was mir noch ganz gegenwärtig vor Augen steht!
Die Louisenhöfer Koppeln, die sich in keinen Kessel eingliedern lassen und deshalb niemals getrieben werden, sind mein Ziel. Seit Monaten ist das Vieh aufgestaut, und Störungen durch Feldarbeit gibt es hier nicht, es müßte also schon der Teufel seine Hand im Spiel haben, wenn hier keine Hasen lägen. Ob sie aber auch halten werden, das ist eine andere Frage, denn der Wind ist auf Nord umgesprungen, und es riecht nach Frost.
Freilich, noch sammelt sich an den tiefen Stellen das braune Moorwasser in meinen Fußstapfen, und so werde ich Mümmelmann nicht hier in der Deckung des sauren, vom Vieh verschmähten Grases suchen müssen, sondern auf den höher gelegenen Rücken. Zum Beispiel auf dem Brink zwischen den zwergwüchsigen Wacholdern, den letzten Zeugen der längst versunkenen Waldlandschaft. Natürlich steuere ich ihn nicht geradenwegs an, sondern wende mich, von seiner Richtung abweichend, einmal nach hier, einmal nach dort. So bin ich für Lampes Seher, die mich gewiß schon längst von irgendwoher beobachten, unverdächtig, ein Landmann mit Hund, eine alltägliche Erscheinung. Doch man ist gewarnt, und ich bin erkannt, sobald der erste Schuß gefallen. Auf ihn also kommt's an, wenn das Wetter wirklich auf Frost umschlägt, und wenn ich nicht ganz ohne Beute heimkehren will. Doch der sonst so verläßlich, eigentlich todsicher mindestens einen Hasen bergende Brink ist leer, als ich ihn endlich nach vielen Täuschungsmanövern betrete. Dafür entdecke ich von hier oben drüben auf dem nachbarlichen Sturz einen, zwei, drei Mümmelmänner. Wer es einmal gelernt hat, übersieht sie nicht mehr, diese flach zusammengedrückten, länglichen, braunen Körper in der dunklen Ackersasse. Offensichtlich liegt der Has' heut im Feld, nicht auf dem tiefer gelegenen Grünland. Meine Erwartung sinkt, aber noch geb' ich es nicht auf. Der Höhenrücken längs des Grenzgrabens wird mich vielleicht nicht im Stich lassen.
Hier heißt es allerdings Farbe bekennen, und mit irreführenden Umwegen ist hier nichts zu machen. Hier muß Strich gehalten werden, wie es das Grabenufer vorschreibt, sonst ist der aus der Sasse fahrende Lampe schon auf Nummer Sicher, schon beim Nachbarn, bevor ihm noch die Flinte das Maß nehmen kann. Ich halte sie schon im Voranschlag, denn auf jeden Fall wird mir nicht viel Zeit für den Schuß bleiben. Wie Scheinwerfer tasten meine Blicke voraus den verheißungsvollen Höhenrücken ab und streichen von rechts nach links und wieder von links nach rechts, um ja nicht den ersten, abschnellenden Satz aus der Sasse zu verpassen. Doch da ruckt's an der Leine, denn "Räuber", mein Langhaar, ist plötzlich stehengeblieben und äugt unentwegt nach halbrückwärts. Richtig, da hoppelt ja ein Has' gemächlich von dannen! Wo hat er gesessen, wo wurde er hoch, von einem der trockenen Plätze oder doch aus dem deckenden Sauergras der Niederung? Ich bin so klug wie zuvor. Und nun nimmt Mümmelmann Kurs auf mich und gleich einen zweiten ins Schlepp, der sich einfach hinter einem Koppelpfosten gesteckt hatte, ganz in der Nähe der letzten, vom Federvieh umlagerten Kate, dort, wo ich niemals einen Krummen vermutet hätte. Nein, die beiden nehmen natürlich nicht Kurs auf mich, sondern an mir vorbei, halten gerade soviel Abstand von mir, daß meine Flinte nicht mehr hinreicht, haben nun schon den Grenzgraben passiert und machen auf dem Sturz noch zwei der drei von mir entdeckten Hasen aus der Sasse locker. Nun sind es also schon vier, die am hellichten Tag herumreisen und Unruhe stiften. Mit fiebernden Blicken äugt "Räuber" ihnen nach und kann es nicht begreifen, warum wir nicht dort in das wittrungsträchtige Hasenparadies eindringen und stattdessen weiter in diesem leeren Raum herumkrauchen.
Tatsächlich, nun haben wir auch schon den ganzen Höhenrücken hinter uns, ohne daß sich etwas gerührt hat. Hinter der sumpfigen Senke setzt er sich freilich noch in einem kurzen Stück fort, und so will ich dies - mehr aus Pflichtgefühl oder Pedanterie als in hoffnungsvoller Erwartung - auch noch absuchen. Unter den Sohlen quillt gurgelnd immer mehr schwarzes Moorwasser auf, und ich muß wiederholt den tiefsten Stellen ausweichen, schon mit Rücksicht auf "Räuber", der verdrossen und hochläufig hinter mir dreinstelzt. Doch gleich ist es geschafft, kann es wieder trockenen Fußes und auf festem Boden hügelan weitergehen. Da reißt mich ein klatschendes Plantschen herum, Mümmelmann, der inmitten der Blanke auf einer Kaupeninsel gelegen hat, spurtet halbspitz von mir fort, durchs spritzende Wasser, geht im Knall Überkopf und versinkt fast in der aufgepeitschten braunen Brühe. Und noch ehe ich den bringlüsternen Rüden von der Leine lösen kann, öffnet sich vor mir in der grauen Dürrgrasnarbe des Hanges ein schwarzgähnendes Loch hinter einem zweiten, herausrutschenden Hasen. Hat der Flintenlauf soeben nur kurz vor die fast waagerecht gestreckten Vorderläufe des Flüchtigen zu tupfen gebraucht, jetzt muß er weit vorschwingen, denn Freund Lampe rennt ums liebe Leben und hat die Frist, ehe ich mich gefaßt, wahrlich zu nutzen gewußt. Doch es ist noch nicht zu spät, gerade auf der Grenze, die die streuende Garbe gebietet, bricht der Schuß. Letztes Schlegeln raschelt vor mir im trockenen Kraut, während noch ein letztes plätscherndes Schnellen hinter mir wellen-ringewerfend verebbt, so rasch ist alles gegangen. Während ich den Dampf aus den Läufen blase und nachlade, apportiert der Langhaar fahnewedelnd und würdevoll, erst und mit Lust den vom Festen, dann und nur in Pflicht den vom Feuchten.
Ja, so geht's auf der Suche. Bist selbst ein "alter Hase" geworden, weißt oder glaubst zu wissen, wo du bei bestimmtem Wetter oder Wind finden wirst, wonach dich verlangt. Heute ist es der alte Sturz, vornehmlich dort, wo der Mittelrücken tieffurchig zusammengetrieben wurde, das grobschollig umgebrochene Grünland oder die sandig trockene, nur gerissene Stoppel, die dich nicht im Stich lassen werden. Morgen ist es der gen Mittag geneigte Saatenhang, die moosgepolsterte, mit Altgras bestandene Wiese oder das vom Weidevieh verlassene, winterstille Moor, die dir verheißungsvoll winken. Oft behältst du recht, ebenso oft haust du daneben. Mit den Blicken weit voraus, die feuerbereite Flinte fast schon im Voranschlag, näherst du dich mit federnden Knien dem Schauplatz der gewiß und schon in den nächsten Minuten zu erwartenden Ereignisse, und es geschieht gar nichts. Müde geworden und abgestumpft, ganz woanders in deinen Gedanken, das Doppelrohr lässig im Arm oder gar auf der Schulter, schlenderst du durch eine Gegend, die gar nichts erhoffen läßt, und schon scheffelt es. Vorausgesetzt, daß du schnell schaltest und dich schnell entschließest. Eine Minute lang nicht aufgepaßt, in dieser einen entscheidenden versagt, und schon bist du stundenlang umsonst über den Sturz gestampft, hast deine Sinne zuvor in äußerster Konzentration um nichts abstrapaziert und mußt mit schlaffem Rucksack heimkehren.
So ist's mir damals in Verfolg der Weihnachtshasen auch zuweilen gegangen, habe - statt zu dublettieren - doppelrohrig vorbeigeflammt und bin wohl gar derart in Zeitdruck geraten, daß ich schließlich noch im Park auf einen der aus Buchenwurzelbucht oder Erlenstubbenmulm fortbockeln-den, nichts Böses ahnenden "Bülows" zurückgreifen mußte, um durch solchen fast unentschuldbaren Hausfriedensbruch dem Letzten auf der langen Liste noch zu seinem Festbraten zu verhelfen.
Eigentlich aber beschenkte ich mich selbst, denn was wären diese letzten, nur für wenige Stunden aufdämmernden, stimmungsträchtigen, allerletzten Adventstage gewesen, ohne diese kleinbescheidene, stille Jagd, ohne die Heimkehr unter rotrauchigem oder nebelsilbernem Abendhimmel in das lichtfunkelnde, vorfestlich geschäftige Dorf, in die helle Wärme des lieben, alten, vorweihnachtlich duftenden Hauses!
Deren, die damals um dessentwillen ihr Leben lassen mußten, sind es viele, an die ich mich merkwürdigerweise noch heute entsinnen kann und weiß, wo und wie sie ihr Testament machten, so genau, daß ich es Zug um Zug nachzuzeichnen vermöchte. Dagegen mangelt mir die Erinnerung an manchen Bock und Hirsch, die ich streckte, schon völlig. Immer, wenn wir zeitlich oder örtlich aus dem Vollen schöpften, verflacht sich der Eindruck und schwindet in Kürze dahin, immer aber bleibt er in uns und begleitet uns durchs lange Leben, wenn wir in selbstgewählter oder uns irgendwie aufgezwungener Beschränkung jagten und spärliche Ernte einbrachten oder gar die sprichwörtliche Stecknadel im Strohhaufen zu suchen hatten.
Nicht eben viel leichter zu finden waren die Hasen in den tiefverschneiten, endlosen Weiten Weißrußlands, und ein jeder des halben Dutzends, die ich trotz grimmiger Kälte schweißnaß aus dem Schneegrab, in das sie sdilegelnd versanken, hob und im Rucksack barg, steht mir noch deutlich vor Augen. Nicht nur ihr aufschreckendes, sattbraunes Hervorschnellen, mit dem sie plötzlich die weiße Wüste alarmierend belebten, nicht nur das ihnen folgende, ihnen vorgreifende Silberkorn auf dem Doppellauf, den Schuß und den weiß aufstäubenden, streichenden Schrotschlag sehe ich vor mir, sondern das ganze Drum und Dran von Zeit und Ort nimmt wieder plastische Gestalt an:
Der vorzeitige und grimme Wolfswinter 41/42 hat - wie wir glauben -den Bewegungskrieg bis zum Ende der Schlammperiode unmöglich gemacht. Hinter Stacheldraht, Strauchverhauen und Minenfeldern hat sich die Truppe zur Verteidigung eingerichtet. Gegenüber dem Vormarsch und seinen Kämpfen mit einem sich hart zur Wehr setzenden Feind und seinen Verbündeten, der Weite und Unwegsamkeit der Wälder und Sümpfe, scheint uns eine lange, verhältnismäßig ruhige Zeit bevorzustehen. Sie zu nutzen, wird mir der Auftrag, in einem Dorf des rückwärtigen Gebietes im Kriegstagebuch des Regiments die Ereignisse vom Tage des Hervorbrechens über die Grenze an nachzutragen. An jedem Morgen mache ich mich an die Arbeit. Vor mir türmt sich ein Stapel aus Kartenblättern mit taktischen Einzeichnungen, Befehlen und Meldungen, Listen über Munitionsverbrauch, eingebrachte Beute, feindliche und eigene Verluste, den fortlaufenden roten Faden aber verbürgt jenes abgegriffene, schmutzbefleckte, regenverwaschene Heft, in dem ich unter dem Eindruck der Stunde bei jeder Rast, in der Bereitstellung und während der Gefechte flüchtige, kaum noch lesbare Eintragungen machte. Jeder Tag mit seinem Geschehen wird jetzt wieder lebendig, als wäre es gestern gewesen: Das Vorstürmen am Vistytissee in blaugrauer Dämmerung und unter Unheil kündendem, schwefelgelb-purpurnem Frührot, die weißen Nächte an der Düna, der Glut- und Blutnachmittag an der Sarjanka, das Durchringen bis Ssebelino auf der einzigen, durch ein Meer von Sümpfen führenden Straße, Kampf um Kamenka und Cholm und über Molwotizy und Dem-jansk immer tiefer hinein in das Riesenreich. Immer weiter gen Osten durch mahlenden Sand, dürstende Heide, totreife ungeerntete Roggenfelder, düsterverstruppte Wälder, vorbei an begrünten oder blasenwerfenden Mooren. Auf elenden Straßen, gezeichnet von der gnadenlosen Furie des Krieges, im eiterroten Widerschein der Feuersbrünste oder verfinstert durch hochpilzenden Qualm, im Staub erstickt oder flimmernd in kochender Sommerhitze, unter rauschenden Herbstregen sich in unergründlichen Schlamm verwandelnd, im frühen Frost erstarrend und schließlich begraben durch Schnee, durch Berge von Schnee, zusammengetrieben und aufgetürmt durch den eisigen Nordost. Und längs dieses Weges, längs dieser einen einzigen von zahllosen Schicksalsstraßen die schlichten, stahlhelmgekrönten Holzkreuze in Todeinsamkeit oder zu zweit oder zu dritt oder gar in Reihen gestaffelt - der Schreibstuben-Unteroffizier wird wissen, warum ich mitten im Diktat einhalte, und wohin meine Gedanken abschweifen.
Gut ein Drittel unserer Stube wird von dem riesigen russischen Ofen eingenommen. Oben auf ihm zwischen Decken, Lumpen und Pelzen liegt der Opa, der die Beschlagnahme seines winterlichen Altenteils nicht zur Kenntnis genommen hat. So uralt und gebrechlich wirkt er, daß mir scheint, der Herrgott werde ihn schon beim nächsten Frühlings-Großreine-machen heimholen. Von Zeit zu Zeit erscheint sein bärtiges, von langen Silberfransen umhangenes Antlitz über dem Rand der getünchten Mauer, und seine wässerigen Augen staunen still, fast ungläubig, aber doch ohne Furcht auf uns herab; vielleicht daß ihm beim Anblick der feldgrauen Gestalten Erinnerungen an 1914/18 heraufdämmern. Auch die seelengute Madga sieht die Beschlagnahme nicht als totale an. Lautlos auf ihren Walinkis gleitet sie an uns vorbei und kauert sich vor die offene, rot-glosende Feuerungshöhle, um die Kohlsuppe zu kochen, Quarkkuchenteig einzuschieben oder rundflache Brotfladen abzubacken. Bei keinem Eintritt aber - und wiederhole er sich aus besonderen Gründen noch so oft - vergißt sie ihrer gewohnten Zeremonie: sie wendet sich gegen den Winkel mit dem knallrotblauen, goldflitterumrahmten Ikonenbild und schlägt ein Kreuz, nun schlüpft sie unter dem für jedes wohlhabende weißrussische Bauernhaus unerläßlichen Gummibaum hindurch an meinen Tisch, verneigt sich vor dem dort stehenden Photo, das meine Frau und unseren Sohn auf ihrem Schoß darstellt, und schlägt abermals ihr Kreuz. Dann verbeugt sie sich vor mir und lächelt mich an, und aus dem Ausdruck ihrer Mienen und Gebärden muß ich schließen, daß mein erster Verdacht, in ihrer Einfalt halte sie das Photo vielleicht für ein modernes Madonnenbild, nicht zutrifft, sondern daß sie-ihren Gast und die Seinen damit ehren will. Ab und an bleibt sie auch stillverlangend neben meinem Stuhl stehen, und ich weiß längst, was sie will. Ich greife nach der Brieftasche mit den heimatlichen Photographien, wie sie wohl jeder Soldat als kostbaren Schatz beim Feldzug mit sich führt, und neuerdings pflegt dann die Madga spornstreichs hinauszulaufen, um im Nu mit Kind und Gevatter wieder zur Stelle zu sein. Dann wandern die Bilder von Hand zu Hand, und des Getuscheis und der staunenden Ausrufe und des Sich-Gegenseitig-Aufmerksammachens will es kein Ende mehr nehmen. [...]
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