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General von Lettow-Vorbeck über das Heiraten und ähnliche Probleme

Paul von Lettow-Vorbeck über ...


... über das optimale Junggesellenalter
Ich war jetzt neunundvierzig Jahre alt und hielt es für an der Zeit, dem Junggesellenleben Lebewohl zu sagen. Es war der 2. März 1918. Am 6. März hatte ich mich bei Feldmarschall von Hindenburg in Kolberg zu melden und rechnete damit, dann sofort im Baltikum verwandt zu werden. Zum Heiraten blieb also nicht allzuviel Zeit.

...wie man einer Frau den Antrag macht
So schickte ich an meine zukünftige Frau ein übermütiges Telegramm nach Flensburg, daß ich sie sofort bei meinen Eltern in Berlin erwarte. Kapitän Christiansen, der uns 1915 ein Hilfsschiff mit Kriegsmaterial nach Ostafrika gebracht hatte, war gerade bei ihr; sie zeigte ihm entgeistert das Telegramm. Er küßte ihr bewegt die Hand. Anders war die Wirkung auf meinen zukünftigen Schwager, der in Flensburg Landrat war. Er wollte mich fordern. [....]

Dann begab ich mich zu meinen Eltern und eröffnete ihnen meine Absicht zu heiraten. Als dann von meiner zukünftigen Frau ein Telegramm eintraf, daß sie am 4. März nach Berlin käme, setzte ich die Hochzeit auf den 5. März fest. Mitgeteilt habe ich ihr meine Absicht, sie zu heiraten, nicht, um ihre Reise nach Berlin nicht etwa zu verzögern.

Da noch Kriegszustand war, erklärte sich am 3. März der Standesbeamte zur standesamtlichen Trauung innerhalb vierundzwanzig Stunden bereit, und auch Geheimrat Conrad von der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, der langjährige seelsorgerische Freund meiner Eltern, war bereit, mich am 5. März zu trauen, falls ich bis dahin eine Braut hätte.

Als ich am 4. März abends meine Frau auf dem Lehrter Bahnhof mit der Mitteilung empfing, daß ich sie am 5. März um 11 Uhr heiraten würde, war sie mehr als sprachlos und weigerte sich entschieden. Da aber in Berlin Generalstreik war und keine Autos fuhren, die sie zu ihrer Freundin, der Frau Admiral Pfeiffer, hätten nach Charlottenburg bringen können, so mußte sie wohl oder übel in mein Auto steigen und mit zum Hause meiner Eltern fahren.

... wie man seine eigene Hochzeit nicht verpaßt
Bloß mit Hochzeitsgästen haperte es. Die hatten nichts geahnt, allenfalls an eine Verlobung gedacht, so daß die vorbereiteten Reden nicht stimmten. Eine andere Schwierigkeit lag darin, daß ausgerechnet zum 5. März die Stadt Berlin uns Ostafrikaner zu einem offiziellen Frühstück eingeladen hatte. Aber die Spartakisten stürmten das Rathaus, und das Frühstück fiel aus. Man muß verstehen, daß ich in der gegebenen Lage den Spartakisten gegenüber ein Gefühl der Dankbarkeit nicht ganz unterdrücken konnte. Ich hätte sonst an meiner Hochzeit nicht teilnehmen können.

So konnte sie ungestört stattfinden. Der Hunger war damals groß in Berlin; aber die pommerschen Verwandten hatten eine herrliche Pute geschickt, auch Austern wurden irgendwo aufgetrieben, und Vater hatte noch seinen guten Weinkeller. So wurde tüchtig gegessen, und auf dem Heimwege war es fraglich, ob manche der Hochzeitsgäste mehr Freude am Glück des jungen Paares oder an der Pute gehabt hatten. [....]

Nach einer Vorstellung des "Freischütz" im Opernhaus, bei der ich übermüdet einschlief, zogen wir dann zu vierzehn Personen auf die Hochzeitsreise und trafen am 6. März morgens in Kolberg zu einem Frühstück ein, das die Stadt Kolberg im Sonderzuge eingerichtet hatte.

... die "Flitterwochen"
Die Hotelverhältnisse waren reichlich kriegsgemäß. Die Tür meiner Frau war nicht abzuschließen, und hin und wieder erschien, ohne anzuklopfen, eine Ordonnanz, die irgendeine Meldung machte. Da war es für meine Frau eine Kunst, sich umzuziehen.

... die Schwiegermutter
Mittags hatten wir Ostafrikaner ein Frühstück mit den Herren des A.O.K., bei dem Hindenburg herzliche und kameradschaftliche Worte sprach, auf die ich kurz und respektvoll antwortete. Danach gingen wir an den Strand und durch die Stadt, um etwas Luft zu schnappen. Wir erinnerten uns, daß bei der Geschwindigkeit unserer Hochzeit die Mutter meiner Frau noch gänzlich ahnungslos geblieben war, also rasch ein Telegramm.

... die Trauringe
Dann meinte meine Frau, sie wolle nun nicht länger mitmachen und nicht ohne Ringe mit mir durch die Welt reisen. Dieser Fall war schon schwieriger, aber ein Ostafrikaner opferte ein ostafrikanisches, im Kriege geprägtes Goldstück, und bald waren die Ringe fertig.

... die fernere Verwandschaft
Ich telefonierte an meinen Onkel Georg von Eisenhart-Rothe, mit dem ich mich immer besonders nahe gestanden hatte, ob ihm mein und meiner Frau Besuch recht wäre. Was, eine Frau hast du auch?" waren seine ersten Worte. Zur Fahrt stellte der Feldmarschall sein Auto zur Verfügung.

... die Fähigkeit, sich genau an Gesichter zu erinnern
Den Schluß der Verwandtenreise bildete Mulkenthin bei Stargard in Pommern, das einem Vetter Loeper gehörte. [.... ] Als wir auf dem Bahnsteig in Stargard auf unseren Zug nach Berlin warteten, kamen zwei Tanten Eisenhart auf den Bahnsteig und sahen einen großen Offizier in Schutztruppenuniform. Schon wurde er umarmt mit den Worten: "Lieber Paul, du hast dich aber gar nicht verändert." Der vermutliche Paul machte ein recht verdutztes Gesicht; es war der Hauptmann von Ruckteschell, der in Ostafrika den Feldzug mitgemacht hatte und uns jetzt mit seiner Frau auf der Reise begleitete.

... öffentliche Deckangebote gegen geringes Entgelt
In Flensburg hatte ich wohl das verdrehteste Erlebnis, das mir in meinem langen Leben vorgekommen ist. Der Bruder meiner Frau war dort seit langer Zeit Landrat, und vor dem Landratsamt war bei unserer Ankunft ein großer, besonders feierlicher Empfang. Der Platz stand voller festlich gekleideter Menschen, eine Musikkapelle spielte, Gedichte wurden vorgetragen und Reden gehalten. Das Landratsamt war mit Girlanden geschmückt, und gerade an der Stelle, die der Mittelpunkt der Ausschmückung war, hinter einer Reihe weißgekleideter Jungfrauen, war eine Tafel angebracht mit einer großen, weithin sichtbaren Inschrift, die mir sofort in die Augen stach, und die ich immer wieder lesen mußte, weil ich zu träumen glaubte. Sie lautete "Lettow-Vorbeck deckt für 20 Pf." Und davor stand ich nun in Generalsuniform mit roten Streifen an den Hosen, mit Tropenhut, Eisernem Kreuz und Pour le Merite. Ich war, wie der Berliner sagt: platt" weniger wegen des bescheidenen Honorars von zwanzig Pfennigen, sondern vielmehr, weil ich das Ganze unglaublich fand. Da aber offenbar keiner der Anwesenden Anstoß daran nahm und man mich doch ehren und keine schlechten Witze machen wollte, auch meine junge Frau neben mir keine Spur von Verwunderung zeigte, so mußte ich mir sagen, hier liegt offenbar ein mir bisher unbekannter Modus vor, wenn man einen Gast besonders ehren will. So etwas wie eine durch Tradition geheiligte Sitte aus dem Mittelalter, die sich erhalten hat. Schließlich hatte ich viele Völker und Sitten kennengelernt. Aber so recht befriedigte mich das auch nicht, und ich muß gestehen, daß ich von der ganzen Feier und von dem, was geredet wurde, kein Wort in mich aufnahm.

Als endlich alles vorbei war, ging ich zu meiner Schwägerin und sagte ihr: "ja, Dodo, es war ja alles sehr schön, aber diese Inschrift habe ich beim besten Willen nicht verstanden." Sie sah mich entgeistert an, stieß einen Schrei aus, warf sich auf einen Lehnstuhl und strampelte mit Händen und Füßen. Aus allem, was sie ausstieß, verstand ich als einziges das Wort Anton'. Anton war ihr Mann, der sich bald auch auf einen Stuhl warf und zu strampeln anfing, so daß ich mir sagte. Jetzt haben sie beide ausgehakt." Aber schließlich beruhigten sie sich, und es kam folgendes heraus. In Flensburg hatte, wie in allen deutschen Städten, im Kriege große Verpflegungsnot geherrscht, besonders an Fleisch. Das hatte die Leute dazu veranlaßt, Kaninchen zu ziehen. Auch meine dreizehnjährige Stieftochter hatte eine Kaninchenzucht und einen besonders schönen Karnickelbock von der Blauen-Wiener-Rasse, den sie mir zu Ehren Lettow-Vorbeck" getauft hatte. Das in ihr steckende Hanseatenblut brachte sie darauf, diesen Bock auch kaufmännisch auszunutzen, und um dem geehrten Publikum bekanntzugeben, daß sie geneigt ,war, ihren Bock zu Zuchtzwecken gegen eine bescheidene Gebühr auszuleihen, hatte sie die Tafel am Hause des Landrats angebracht, wo ihr Kaninchenstall war. Das Geschäft ging glänzend, und ganz Flensburg wußte, daß es sich um den Kaninchenbock handelte, wenn von LettowVorbeck die Rede war. Daß ich auch "Lettow-Vorbeck" hieß, war eben Zufall und meine Sache.

So klärte sich der Vorfall einfach und durchaus logisch auf. Nur ich, der von den Vorgängen nichts ahnte, hatte vor einem Rätsel gestanden.


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